Statement der Bühnen und Orchester zur Kundgebung am 30.01.2024

Wir als Theater Bielefeld, Bielefelder Philharmoniker und Rudolf-Oetker-Halle leben Vielfalt und Diversität. Menschen aus 35 Nationen arbeiten bei uns in Technik, Kunst und Verwaltung. Aus tiefer Überzeugung sprechen wir uns gegen Rassismus und für Demokratie aus. Deshalb waren wir am 30.01.24 bei der Kundgebung des Bündnis gegen rechts dabei, um gemeinsam mit euch allen zu zeigen: Wir sind mehr.

 

Auf Nachfrage stellen wir den von Kabarettist Ingo Börchers geschriebenen und auf der Kundgebung von Schauspielerin Christina Huckle vorgetragenen Text zur Verfügung:


Remigration.
Manchmal ist es EIN Ereignis, EIN Wort, das zur Initialzündung wird, für etwas, das schon lange in der Luft lag. Aktuell ist das diese perfide Zusammenkunft in Potsdam und der damit in die Welt getragene Begriff „Remigration“
Remigration. Es gibt Menschen, die haben Träume, Pläne, Ziele. Und es gibt Leute, die haben Deportationsphantasien.
Remigration. Wie muss ich mir dieses Treffen in Potsdam vorstellen? Und: Will ich mir das überhaupt vorstellen?
Remigration. Verschleiernd. Zynisch. Verachtend.
Remigration. Der neue rechte Kampfbegriff. Nach Asylantenflut und aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, nach Überfremdung und gesundem Volksempfinden nun also Remigration.
Bert Brecht kommt mir in den Sinn. „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“
Gerade merken wir allzu deutlich, was uns allen im Grunde seit längerem klar ist:
Es gibt etwas, das größer ist als der Rahmen einer politischen Fraktion, die sich im demokratischen Spektrum bewegt. Es geht um nicht weniger als um die Verteidigung der Demokratie an sich.
Aber alles schön der Reihe nach: Ich glaube, die Frage nach Identität kann sehr schnell zum verminten Gelände werden.
Natürlich brauchen wir eine Trennung zwischen ‚Ich‘ und ‚Du‘ um ‚Ich‘ zu sein.
Aber wenn aus ‚Ich‘ und ‚Du‘
‚Wir‘ und ‚Ihr‘ wird, wird es schon brenzliger.
Und ganz schief geht es meistens, wenn aus ‚Wir‘ und ‚Ihr‘
‚Wir‘ und ‚die‘ wird.
Also ‚die‘ im Sinne von ‚die Fremden‘, ‚die Anderen‘
Ich glaube, Ressentiments, Alltagsrassismen, Vorurteile waren nie fort. Aber ich habe in jüngster Zeit Erfahrungen gemacht, die bei mir die Alarmglocken läuten lassen. Bei denen, die wir landläufig zur Nachbarschaft, zum Bekanntenkreis zur weiteren Verwandtschaft zählen.
Es mehren sich fragwürdige Sätze
Sätze, die mit „Ich habe ja nicht gegen Ausländer, aber…“ anfangen.
Oder mit „Versteh mich bitte nicht falsch. Ich würde mein Kreuz nie bei der AfD machen, aber es ist doch nicht alles schlecht, was die da…“
Und in genau diesen Situationen sind wir alle gefragt. Nicht nur hier und jetzt.
Sich – wie im Moment – unter Tausenden einig zu sein, ist relativ leicht. Den Mund aufzumachen in einer Eins-zu-eins-Situation, braucht Mut.
Rassismus, Faschismus, Antisemitismus werden salonfähig. Anonym im Netz ein Arschloch zu sein. Das ist das eine. Ebenso wie hinter vorgehaltener Hand braune Stammtischparolen rauszuhauen. Aber mein Eindruck ist (Und das ist eine neue Qualität): Die Dummheit von rechts hat aufgehört, sich zu schämen. Dieses neue Rechts glaubt, rechts, das sei die Mitte.
Uns muss immer wieder klarwerden, was auf dem Spiel steht.
Wir dürfen unter keinen Umständen stillschweigend großartige Errungenschaften zur Disposition stellen. Die Genfer Flüchtlingskonvention, die europäische Menschenrechtskonvention, das deutsche Grundgesetz.
Lasst uns den Hass ins Gegenteil verkehren. Lasst uns diese Errungenschaften hochleben lassen. Lasst uns den braunen Mob nicht mit seinen Mitteln bekämpfen. Lasst uns lieber mit Liebe, Solidarität und Zusammenhalt antworten.
Lasst uns an Astrid Lindgren erinnern, die gesagt hat: „Demokratie muss in jeder Generation neu geboren werden. Und Bildung ist die Hebamme.“ Lasst uns an Albert Schweitzer erinnern, der gesagt hat: „Leben ist Leben, das leben will, inmitten von Leben, das auch leben will.“
Lasst uns friedvoll, aber laut und vernehmlich sein.
Lasst uns sichtbar machen, dass wir die Mehrheit sind.
Lasst uns die rechten Menschen verwirren, indem wir die Menschenrechte feiern.
Heute. Morgen. Übermorgen. Ein jedes Mal aufs Neue.
Dann wird klar sein: Wir müssen mit allem rechnen.
Sogar mit dem Guten

Danke für Eure Aufmerksamkeit.
Friede sei mit uns.